Ökonomie – Ökologie – Gemeinwohl
Das Wirtschaftsleben wird heute stark geprägt von Globalisierung, Rationalisierung, Wachstumsprognosen, Effektivitätssteigerung, Wettbewerb, Verdrängung und englisch verpackten Begriffen, die diese Form des Kapitalismus beschönigen sollen.
Als Unternehmer fragt man sich, will und kann ich in diesem Umfeld andere Werte wie Ökologie, Kooperation, Fairness, Verbindlichkeit, Ehrlichkeit und einen Sinn für das Gemeinwohl realisieren, oder ist das nur etwas für Sonntagsreden und im Alltag herrscht der Druck des Marktes.
Für mich ist wirtschaften immer eine Gradwanderung zwischen den langfristigen, ideellen Zielen und den kurzfristigen, pragmatischen Notwendigkeiten. Nach 20 Jahren kann ich sagen, wir haben unsere stetigen ideellen Ziele nicht aus dem Auge verloren.
Wir haben auch die eine oder andere Zusammenarbeit beendet oder auf Umsätze verzichtet, wenn es nicht zu unserem System und unseren Werten gepasst hat.
Von Beginn an haben wir mit den regionalen Bio-Bauern auf vertraglicher Grundlage zusammen gearbeitet. Die Bauern bieten uns eine gewisse Menge an Tieren an auf Basis einer Jahresplanung und wir verpflichten uns zur Abnahme. In 20 Jahren haben wir uns daran gehalten und so wird es auch in Zukunft sein. Wir denken, biologische Landwirtschaft kann sich nur mit langfristiger Perspektive und verlässlicher Partnerschaft entwickeln und dazu sind wir bereit. Aus diesem Grund arbeiten wir nicht mit Abnehmern, die kurzfristig große Mengen, oder nur bestimmte Produkte haben wollen, um sich dann bei nächster Gelegenheit wieder anders zu entscheiden. Das ist unvereinbar mit unseren Verpflichtungen gegenüber den Bio-Bauern und der Verwertung der ganzen Tiere. Das erfordert mehr Miteinander und langfristige Perspektiven. Auch die Tendenz in der Lebensmittelbranche immer billiger anzubieten ist für uns nicht möglich. Wir zahlen den Bauern feste Preise, die jährlich festgelegt werden. Als z.B. zur BSE-Krise die Rinderpreise in den Keller gingen, sind wir bei den Bio-Preisen vor der Krise geblieben, um keine Marktsituation auszunutzen. Durch die eigene Schlachtung und die handwerkliche Verarbeitung der Produkte ist auch hier der Spielraum gering.
Es gibt genügend Verbraucher, für die diese Werte mehr als der Preis zählen und es gibt genügend Ladner, die dem Kunden diesen Mehrwert vermitteln können. Und so gibt es für uns die Möglichkeit Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung im Wirtschaftsleben zusammen zu bringen – vor allem, wenn man bereit ist, auf kurzfristige Vorteile zu verzichten, um sich langfristig und gesund zu entwickeln und mit allen Partnern gemeinsam zu wachsen.
Richard J. Müller
Bio-Pionier und Gründer von Chiemgauer Naturfleisch († 2015)